Achtung bei GbR, oHG und KG: Die Anwachsung eines Personengesellschaftsanteils unter Abfindungsausschluss kann eine Schenkung im Sinne der Pflichtteilsergänzung darstellen

Abkömmlingen, Eltern und Ehegatten, die testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen sind, steht gem. § 2303 BGB ein Pflichtteilsanspruch gegenüber dem/den Erben zu. Verschenkt der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen, kann der Pflichtteilsberechtigte daneben die sogenannte Pflichtteilsergänzung verlangen. Dies hat zur Folge, dass der Pflichtteilsberechtigte neben seinem Pflichtteilsanspruch auch denjenigen Betrag verlangen kann, um den sich sein Pflichtteil erhöhen würde, wenn der Wert des verschenkten Gegenstandes dem realen Nachlass fiktiv hinzugerechnet wird.

In einer durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtssache forderte der pflichtteilsberechtigte Kläger die Beklagte, die Ehefrau seines verstorbenen Vaters aus zweiter Ehe, mit der dieser zusammen mehrere Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) zur Verwaltung von Eigentumswohnungen gegründet hatte, zur Wertermittlung zweier dieser Wohnungen auf. Der Erblasser hatte die Beklagte testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt. Er hatte zuvor mit der Beklagten für mehrere der zwischen ihnen bestehenden Gesellschaften bürgerlichen Rechts eine „Gesellschaftsrechtliche Vereinbarung“ mit folgender Klausel geschlossen:

Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung; […]. Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.

Das in erster Instanz mit dieser Sache befasste Landgericht Hamburg (Urt. v. 16.01.2018, Az. 311 O 172/17) hatte die vorzitierte Vereinbarung als pflichtteilsfest eingestuft, das Erfordernis einer fiktiven Hinzurechnung zum Nachlasswert damit abgelehnt und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (Urt. v. 15.01.2019, Az. 2 U 3/18) hin hat dieses in Abänderung des ergangenen Urteils die Beklagte zur Wertermittlung der beiden Wohnungen mit dem Ziel der fiktiven Hinzurechnung zum Nachlass verurteilt. Die von der Beklagten eingelegte Revision wurde vom Bundesgerichtshof abgewiesen.

Während in der Vergangenheit personengesellschaftsrechtliche Strukturen unter Umständen zur Pflichtteilsfestigkeit von Vermögensverschiebungen führen konnten, differenziert der Bundesgerichtshof nunmehr nach dem Sinn und Zweck des gesellschaftsrechtlichen Zusammenschlusses. Die abfindungsfreie Anwachsung von Gesellschaftsanteilen alleine deute zwar auch bei lediglich vermögensverwaltenden Personengesellschaften nicht zwingend auf eine Schenkung hin; derartige Abreden verfolgten im Allgemeinen nicht das Ziel, dem überlebenden Gesellschafter etwas zuzuwenden, sondern den Fortbestand und die Teilnahme des Unternehmens am Wirtschaftsleben zu sichern und dessen Fortführung durch die verbleibenden Gesellschafter nicht durch Abfindungsansprüche zu erschweren. Innerhalb der hier entschiedenen Rechtssache stand nach Ansicht des Bundesgerichtshofs jedoch im Vordergrund, der Beklagten eine unentgeltliche Zuwendung zukommen zu lassen. Ein unternehmerisches Fortführungsinteresse sei nicht erkennbar gewesen, da die Gesellschaften allein auf die Wahrnehmung ihrer Eigentümerposition ausgerichtet gewesen seien. Anders als in der Abrede aufgeführt, sei der Abfindungsausschluss auch nicht vereinbart worden, um unter Eingehung des Risikos eines abfindungsfreien Verlusts der eigenen Anteile die Chance auf den Erwerb der Anteile des anderen zu erhöhen, da hier gerade kein Verlustrisiko bestanden habe und die abfindungsfreie Anwachsung gerade bezweckt gewesen sei. Für eine Schenkung spreche im vorliegenden Fall auch, dass die Beklagte keine Gegenleistung für die Zuwendung in Form von Arbeitsleistungen oder der Übernahme eines besonderen Haftungsrisikos erbracht habe. Die gesellschaftsvertragliche Abrede habe daher nur das Ziel verfolgt, erbrechtliche Ansprüche des Klägers möglichst gering zu halten. Dies sei schließlich auch durch die Stellung der Beklagten als Alleinerbin bekräftigt worden.

BGH, Urt. v. 03.06.2020, Az. IV ZR 16/19

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