Handlungsbedarf für Arbeitgeber: Neufassung des Nachweisgesetzes

25.07.2022

Mit der am 31. Juli 2019 erlassenen EU-Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) welche bis 31. Juli 2022 in deutsches Recht umgesetzt werden muss, kommen weitreichende und praxisrelevante Neuerungen in das deutsche Arbeitsrecht. Das Hauptziel der Richtlinie ist, eine „transparente und vorhersehbare Beschäftigung“ zu fördern und gleichzeitig die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes zu gewährleisten.

Der Bundestag hat noch Rechtzeitig am 23. Juni 2022 ein entsprechendes Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie beschlossen, welches nach erfolgter Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt pünktlich am 01. August 2022 in Kraft tritt. Das Gesetz zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie erfolgt vor allem mit einer Neufassung des Nachweisgesetzes, welches bislang wenig Praxisrelevant war. In den Nachweisgesetz (NachwG) werden die Pflichten des Arbeitgebers zum Nachweis wesentlicher Arbeitsbedingungen geregelt. Diese Pflichten werden durch eine Neufassung ab dem 01. August 2022 erweitert. Verstößt ein Arbeitgeber gegen seine Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz, sind Verstöße bis zu einem Bußgeld in Höhe von € 2.000,00 sanktioniert.

Dies hat vor allem für Arbeitsverträge, welche ab dem 01. August 2022 abgeschlossen werden, Bedeutung, kann unter Umständen aber auch für Arbeitsverträge, welche vor dem 01. August abgeschlossen worden sind, relevant werden. Im Folgenden sollen die in der Praxis hoch relevanten Neuerungen und für die Arbeitgeber wichtigsten Änderungen dargestellt werden.


Die aktuelle Fassung des Nachweisgesetzes

Die aktuelle noch bis zum 31. Juli 2022 geltende Fassung des Nachweisgesetzes sieht bereits die Verpflichtung des Arbeitgebers vor, Nachweise über die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich festzuhalten und die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Das Aushändigen der Vertragsinformationen muss spätestens einen Monat nach Arbeitsbeginn geschehen. Hauptzweck der Nachweispflichten ist, dass der Arbeitnehmer eine klare und sichere Auskunft über den Inhalt seines Arbeitsvertrages bekommt.

Das NachwG in der alten Fassung gibt bereits einen Katalog an erforderlichen Vertragsbedingungen vor, welche in der Niederschrift enthalten sein müssen. Die meisten dieser Bedingungen finden sich jedoch bereits standartmäßig in Arbeitsverträgen. Folgende wesentlichen Vertragsinformationen sind nach der alten Fassung des § 2 NachwG dem Arbeitgeber zu übergeben:

-    die Namen und die Anschriften der Vertragsparteien
-    der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
-    Dauer des Arbeitsverhältnisses bei Befristung
-    Beschreibung des Arbeitsortes oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Ort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann
-    Bezeichnung oder Beschreibung der Tätigkeit des Arbeitnehmers
-    Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
-    Informationen über die Arbeitszeit,
-    Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
-    Kündigungsfristen
-    allgemeine Hinweise auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, welche auf das Arbeitsverhältnis anwendbar sind

Somit stellt das NachwG in der alten Fassung zwar Anforderungen an den Nachweis der wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen, jedoch finden sich die meisten dieser Inhalte bereits ohnehin im Arbeitsvertrag. Das NachwG war daher in der Praxis wenig relevant. Eine Verletzung der Nachweispflicht begründet zwar einen Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers, oder in seltenen Fällen einen Schadensersatzanspruch, jedoch sind nach der alten Fassung Verletzungen der Nachweispflichten nicht bußgeldbehaftet. Die Nichteinhaltung der Nachweisplicht zum Schutze des Arbeitnehmers führt keinesfalls zur Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages.


Die neue Fassung des Nachweisgesetzes

Mit der Neufassung des Nachweisgesetzes ändert sich vor allem der Umfang der nachweispflichtigen wesentlichen Arbeitsvertragsbedingungen. Damit einher gehen aber auch weitreichende Verschärfungen von Fristen, neue Bußgeldtatbestände oder auch weitere Auswirkungen auf andere Gesetze.

Ab dem 01. August 2022 müssen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern neben den bereits in der alten Fassung genannten wesentlichen Vertragsbedingungen eine Reihe an weiteren Vertragsinformationen aushändigen. Dabei sind die wesentlichen Vertragsbedingungen weiterhin von dem Arbeitgeber schriftlich niederzulegen, vom Arbeitgeber zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Die neuen zusätzlichen wesentlichen Vertragsbedingungen lauten wie folgt.

In Zukunft müssen Arbeitsverträge neben der Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts auch eine genaue Darlegung der Vergütung von Überstunden, weiteren Zuschlägen, Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie weiteren sonstigen Bestandteilen des Arbeitsentgelts enthalten. Die einzelnen Bestandteile des Arbeitsentgelts sind jeweils getrennt anzugeben; zudem muss über deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung informiert werden. Sofern dies vereinbart ist, ist auch die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen anzugeben.

Zusätzlich müssen Arbeitszeiten, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten deutlich genauer angegeben werden. Sollte Schichtarbeit vereinbart worden sein, so sind künftig das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen anzugeben.

Bei Arbeit auf Abruf ist neben der Vereinbarung, dass Arbeitsleistungen entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist, die Zahl der zu vergütenden Mindeststunden, der jeweilige Zeitrahmen und die Frist für die Anordnung der Lage der Arbeitszeit im Voraus durch den Arbeitgeber darzulegen.

Eine der für die Praxis relevantesten Neuerungen im NachwG stellt die Pflicht des Arbeitgebers da, den Arbeitnehmer über genaue Kündigungsfristen und einzuhaltende Verfahren bei Kündigung zu informieren. Somit muss der Arbeitgeber nun über das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren sowie mindestens über das Schriftformerfordernis und die einzuhaltenden Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses informieren.

Neu ist auch die Informationspflicht des Arbeitgebers über die einzuhaltende Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Dabei ist von erheblicher Bedeutung, dass es zu keiner Einschränkung von § 7 KSchG kommt. Sollte der Arbeitnehmer die Klagefrist versäumen, gilt die Kündigung dennoch ohne Rücksicht auf das Fehlen eines entsprechenden Hinweises in den wesentlichen Vertragsbedingungen als wirksam. Fraglich ist jedoch, ob in einem solchen Fall ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründet wird. Die Neufassung des Nachweisgesetzes beinhaltet zudem weitere Anforderungen, wie etwa das Erfordernis der Angabe des Enddatums des Arbeitsverhältnisses, und, sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit oder auch die möglicherweise vereinbarte freie Wahl des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer. Auch ist ein etwaiger Anspruch auf von dem Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen darzulegen.

Sollte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zugesagt haben, ist der Name und die Anschrift des Versorgungsträgers dem Arbeitgeber mitzuteilen. Diese Pflicht zum Nachweis entfällt jedoch, wenn der Versorgungsträger zur Bereitstellung der Informationen verpflichtet ist.

All diese zusätzlichen Informationen sind ab dem 01. August 2022 in die wesentlichen Vertragsbedingungen aufzunehmen und dementsprechend nachweispflichtig. Wichtig ist, dass neue Arbeitsverträge ab dem 01. August 2022 um die genannten Punkte ergänzt werden.


Weiterhin Schriftformerfordernis für Nachweise

Auch wenn es die Arbeitsbedingungenrichtlinie zugelassen hätte, hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen eine moderne digitale Lösung entschieden. Zukünftig sind alle Arbeitsverträge und ihre Änderungen an die Schriftform gebunden. Dies hat zur Folge, dass nun auch jede Gehaltserhöhung, Beförderung oder auch eine Änderung des Einsatzortes der Schriftform unterliegen. Dies war vorher auch auf dem elektronischen Weg möglich. Damit einher gehen ganz neue Herausforderungen für die Arbeitgeber. Es kann z.B. aufgrund der vielen verschiedenen Fristen zu etlichen Briefen kommen, welche jeweils nur einen Teil der Vertragsinformationen enthalten. Dies kann schnell zu Problemen bei der Nachweisung der Zustellung führen.


Verschärfte Fristen nach der neuen Fassung des Nachweisgesetzes

Durch die Neufassung des NachwG wurden auch die Fristen zur Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen verschärft. Die Neufassung sieht deutlich strengere, gestaffelte Fristen vor, so dass die vorher geltende Monatsfrist nur noch auf bestimmte Vertragsbedingungen anwendbar ist.

Die schriftlichen Angaben zu Namen und Anschrift der Vertragsparteien, die Zusammensetzung sowie Höhe des Arbeitsentgelts und auch die vereinbarte Arbeitszeit müssen dem Arbeitnehmer nun spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung ausgehändigt werden. Spätestens sieben Tage nach Arbeitsbeginn muss der Arbeitnehmer über den Beginn des Arbeitsverhältnisses, die Dauer der Probezeit und die vereinbarte Befristung sowie Arbeitsort, Leistungsbeschreibung und die Überstundenanordnung informiert werden. Für alle übrigen bereits aufgeführten Bedingungen gilt weiterhin die Monatsfrist.

Wir empfehlen alle nach dem NachwG erforderlichen Vertragsbedingungen in den schriftlichen Arbeitsvertrag aufzunehmen und diesen vor beginn der Arbeitsleistung von beiden Seiten handschriftlich zu unterschrieben und dem Arbeitnehmer eine Ausfertigung des schriftlichen Arbeitsvertrages auszustellen. So lassen sich Fristversäumnisse und die neuerdings damit einhergehenden Bußgelder vermeiden.


Neue Ordnungswidrigkeiten bei Pflichtverletzungen

Wie bereits angesprochen sieht die Neufassung des NachwG nun einen Ordnungswidrigkeitentatbestand vor. Dieser sanktioniert Verletzungen der Nachweispflichten des Arbeitgebers. Gemäß der Neufassung des NachwG wird für jede wesentliche Vertragsbedingung, welche nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in vorgeschriebener Weise oder nicht rechtzeitig ausgehändigt wird ein Bußgeld verhängt. Die Höhe des Bußgelds beträgt dabei für jede einzelne Pflichtverletzung bis zu 2.000,00 €. Für den Arbeitgeber besteht daher in Zukunft die Gefahr eines Bußgelds, weshalb zukünftig der auf die Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Nachweisgesetz sorgsam geachtet werden sollte.


Weitere betroffene Gesetze

Die Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie wirkt sich nicht nur auf das NachwG aus, sondern hat direkten Einfluss auf weitere Gesetze. Weitreichende Änderungen finden sich vor allem in dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, dem Teilzeit- und Befristungsgesetz und in dem Arbeitnehmerentsendegesetz. In den genannten Gesetzen werden die Informationspflichten des Arbeitgebers erweitert und verschärft. Zudem kommt durch die Änderungen ein deutlich höherer Begründungsaufwand des Arbeitgebers. So muss künftig der Entleiher dem Leiharbeitnehmenden, der ihm seit mindestens sechs Monaten überlassen ist und der schriftlich den Wunsch nach dem Abschluss eines Arbeitsvertrages geäußert hat, innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige eine begründete Antwort in Textform mitteilen. Das gleiche gilt auch für befristet- oder Teilzeitbeschäftigte, welche eine Veränderung des Arbeitsverhältnisses wünschen, solange das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Anfrage bereits sechs Monate bestanden hat.

Zudem hat die Richtlinie zu Änderungen des Berufsausbildungsgesetzes und der Gewerbeordnung geführt, auf welche hier jedoch nicht eingegangen wird.


Fazit

Welche Bedeutungen haben die dargestellten Änderungen in der Praxis? Für die Arbeitgeber sind die Neuerungen höchst relevant und sollten unbedingt für alle Verträge ab dem 01. August 2022 umgesetzt werden. Das heißt konkret, dass etliche Formulararbeitsverträge angepasst und um die erforderlichen wesentlichen Vertragsbedingungen ergänzt werden müssen. Sollten die Formulararbeitsverträge um die erforderlichen Nachweise nicht ergänzt werden drohen Bußgelder. Auch sind die deutlich verschärften Fristen im Auge zu halten.

Aber auch für vor dem 01. August 2022 abgeschlossene Arbeitsverträge besteht in Ausnahmefällen Handlungsbedarf. Dies dann, wenn ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber explizit zur Aushändigung des Nachweises der wesentlichen Vertragsbedingungen auffordert. Für das Aushändigen der Bedingungen gelten wieder die bereits genannte siebentägige Frist und die Monatsfrist, welche sich nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Aufforderung bei dem Arbeitgeber richtet.

Sollten Sie weiterführende Fragen bezüglich der Nachweispflicht oder Hilfe bei der Gestaltung und Umsetzung der wesentlichen Vertragsbedingungen in Arbeitsverträgen benötigen, beraten wir Sie gerne.

 

Haftungsausschluss

Der Inhalt dieses Blogbeitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Vor dem Hintergrund der Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtsmaterie schließen wir die Haftung und Gewähr für den Inhalt dieses Blogbeitrages aus. Dieser Blogbeitrag ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung durch einen Rechtsanwalt und/oder Steuerberater.

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