Kleinunternehmerstellung einer GmbH im Gründungsjahr

Eine GmbH ist im Jahr ihrer Gründung Kleinunternehmerin, wenn ihr Gesamtumsatz nach Hochrechnung auf das gesamte Jahr die Vorjahres-Umsatzgrenze für Kleinunternehmer von 22.000 € (bis einschließlich 2019: 17.500 €) nicht übersteigt. In den Gesamtumsatz gehen bestimmte umsatzsteuerfreie Umsätze wie z.B. Umsätze aus ärztlichen Heilbehandlungen nicht ein. Diese Umsatzsteuerfreiheit gilt für eine GmbH, die mit Krankenhäusern Verträge über die Intensivpflege abschließt und diese durch einen examinierten Kranken- und Intensivpfleger ausführen lässt.

Hintergrund

Kleinunternehmer müssen keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Als Kleinunternehmer ist ein Unternehmer anzusehen, wenn seine vereinnahmten Bruttoumsätze im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher waren als 22.000 € (bis einschließlich 2019: 17.500 €) und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € betragen werden. Die meisten umsatzsteuerfreien Umsätze wie z.B. ärztliche Heilbehandlungen werden bei der Prüfung der Umsatzgrenzen nicht berücksichtigt.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine GmbH, die im September 2012 gegründet wurde. Sie schloss mit einem Krankenhaus einen Vertrag über Intensivpflegeleistungen im Schichtdienst ab. Die Intensivpflegeleistung führte ihr Gesellschafter-Geschäftsführer aus, der examinierter Kranken- und Intensivpfleger war. Im Jahr 2012 erzielte die Klägerin in der Zeit vom September bis Dezember einen Umsatz von 12.755 €. Die GmbH ging davon aus, dass sie Kleinunternehmerin war, und führte keine Umsatzsteuer ab. Das Finanzamt verneinte jedoch die Kleinunternehmerstellung der Klägerin und setzte Umsatzsteuer fest.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache allerdings an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Bei der Prüfung der Überschreitung der Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer kommt es auf die damals gültige Vorjahresumsatzgrenze von 17.500 € an, nicht aber auf die Umsatzgrenze für das laufende Wirtschaftsjahr von 50.000 €; denn die Klägerin ist erst im Streitjahr gegründet worden. Ihr Umsatz von 12.755 € überstieg zwar nicht die Grenze von 17.500 €; jedoch ist ihr im Zeitraum September bis Dezember 2012 erzielter Umsatz auf einen Jahresumsatz hochzurechnen, so dass sich ein Umsatz von 38.265 € ergibt (12.755 € : 4 x 12). Dieser Umsatz liegt an sich über der Umsatzgrenze von 17.500 €.
  • Jedoch fließen nach dem Gesetz umsatzsteuerfreie Umsätze wie die Umsätze aus Heilbehandlungen nicht in den Umsatz ein, der bei der Prüfung der Umsatzgrenzen für Kleinunternehmer zu berücksichtigen ist.
  • Tatsächlich waren die Umsätze der Klägerin umsatzsteuerfrei, weil es sich um eine heilberufliche Tätigkeit handelte, die nach dem Gesetz umsatzsteuerfrei ist. Zu den heilberuflichen Tätigkeiten gehören auch Leistungen im Bereich der Intensivpflege, die durch einen examinierten Kranken- und Intensivpfleger erbracht werden.
  • Die Umsatzsteuerfreiheit wird auch dann gewährt, wenn der leistende Unternehmer eine juristische Person wie eine GmbH ist; denn die Umsatzsteuerbefreiung hängt nicht von der Rechtsform ab. Die Umsatzsteuerbefreiung setzt auch nicht voraus, dass der Intensivpflegevertrag mit dem Patienten geschlossen wird und dass es zwischen der Klägerin und dem Patienten ein Vertrauensverhältnis gibt; es genügt, dass die Klägerin als Subunternehmerin des Krankenhauses gegenüber dem Patienten tätig geworden ist.

Hinweise

Das FG muss nun noch aufklären, ob die GmbH gesondert Umsatzsteuer in ihren Rechnungen ausgewiesen hat; in diesem Fall würde sie Umsatzsteuer schulden.

Wäre das Krankenhaus als Vertragspartner der Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt, könnte die Klägerin auf ihre Kleinunternehmerstellung verzichten und dem Krankenhaus Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die das Krankenhaus dann als Vorsteuer abziehen könnte. Da das Krankenhaus jedoch überwiegend umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen erbringt, ist es insoweit nicht vorsteuerabzugsberechtigt, so dass sich ohne Kleinunternehmerstellung die Leistungen der Klägerin für das Krankenhaus verteuern würden.

BFH, Urteil v. 21.4.2021 – XI R 12/19

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