Langfristige Gewerberaummietverträge – Risiko Schriftformmangel

Gewerberaummietverträge werden regelmäßig über eine bestimmte, langfristige Laufzeit abgeschlossen. Der langfristige Bestand eines Mietverhältnisses ist grundsätzlich für beide Mietvertragsparteien von größter wirtschaftlicher Bedeutung. Der Vermieter vertraut darauf, über den vereinbarten Zeitraum Mieteinnahmen zu erhalten, die er wiederum zur verlässlichen Grundlage für seine Investitionen in die Immobilie machen kann. Auch der wirtschaftliche Wert seiner Immobilie wird im Wesentlichen durch die Mieteinnahmen bestimmt. Der Mieter hingegen hat ein Interesse daran, seinen Standort zu sichern und Investitionen in den Um- und Ausbau seines Geschäftsbetriebes wirtschaftlich planen zu können. Diese Erwartungen beider Parteien sind insbesondere auch von der sorgfältigen Beachtung und Auseinandersetzung mit der Schriftform des Mietvertrags abhängig.

Risiko einer vorzeitigen Kündigung durch Schriftformmangel

Gemäß §§ 550, 578 Abs. 2 BGB gelten auch Gewerberaummietverträge für unbestimmte Zeit, wenn sie für längere Zeit als ein Jahr nicht schriftlich abgeschlossen wurden. Dann ist der Mietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar, dies allerdings frühestens ein Jahr nach Überlassung.

Im Hinblick auf langfristige Laufzeiten ist es für die Einhaltung der Schriftform im Zweifel nicht ausreichend, wenn die Parteien ein schriftliches Vertragswerk erstellen und unterschrieben, ohne die besonderen Voraussetzungen zu beachten. Auch ein im Grunde schriftlicher Vertrag kann als „nicht schriftlich“ gelten. Denn enthält auch ein schriftlich ausformulierter Mietvertrag einen wesentlichen Schriftformmangel, ist also ein wesentlicher Vertragsbestandteil nicht oder nicht hinreichend schriftlich erfasst, liegt kein schriftlicher Mietvertrag hierüber vor. Dieser Schriftformmangel wirkt sich auf den gesamten Vertrag aus, mit der Folge, dass dieser zwar wirksam, aber vorzeitig kündbar ist, auch wenn längere Laufzeiten bzw. Kündigungsfristen vereinbart wurden. Damit besteht das Risiko, dass der Mietvertrag ungeachtet der vereinbarten Laufzeit von beiden Mietvertragsparteien bereits nach einem Jahr unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 580a Abs. 2 BGB) gekündigt werden kann – und zwar noch Jahre nach dem Abschluss des Vertrags.

Treuwidrig ist eine solche Kündigung allenfalls in Ausnahmefällen. Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Kündigung die Existenz der gekündigten Partei gefährdet (BGH NJW 2006, 105), wenn eine für die kündigende Partei rechtlich vorteilhafte Klausel zum Anlass genommen wird, sich von einem inzwischen lästig gewordenen Mietvertrag zu befreien (BGH WM 1975, 824) oder wenn ein schriftlicher Mietvorvertrag besteht, ohne dass es zum Abschluss des Hauptmietvertrages kam (BGH NJW 2007, 1818).

Wesentliche Vertragsbestandteile

Will man das Risiko einer vorzeitigen Kündigung vermeiden, muss die Schriftform hinsichtlich aller wesentlichen Vertragsbestandteile gegeben sein. Wesentliche Vertragsbestandteile sind insbesondere die Bezeichnung

  • der Vertragsparteien,
  • des Mietgegenstands,
  • der Miethöhe sowie
  • der Dauer des Mietvertrages (BGH NJW 2008, 2181).

Von der Schriftform ausgenommen sind lediglich solche Abreden, die für den Inhalt des Vertrags, auf den die Parteien sich geeinigt haben, von nur nebensächlicher Bedeutung sind (BGH NZM 2018, 515).

Allerdings sind die zu regelnden Sachverhalte und die Regelungswünsche der Parteien gerade im Bereich der Gewerberaummiete in der Regel sehr komplex, so dass die praktische Umsetzung dieser abstrakt gehaltenen Definition der Rechtsprechung größter Sorgfalt bedarf.

Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses §§ 550, 578 Abs. 2 BGB

Das Schriftformerfordernisses besteht insbesondere aus drei Gründen. In erster Linie dient es

  • der Warn- und Beweisfunktion, also dem Schutz vor unüberlegten und übereilten vertraglichen Bindungen,
  • Beweisbarkeit langfristiger Absprachen über den Inhalt des Mietvertrages (BGH NZM 2008, 482) sowie
  • dem Schutz des potentiellen Erwerbers einer Immobilie (BGH ZMR 2008, 484). Dieser soll in der Lage sein, sich über das Bestehen und den Inhalt langfristiger Mietverträge zu informieren, da er kraft Gesetzes (§ 566 BGB: Kauf bricht nicht Miete) in bestehende Mietverträge eintritt.
  • 550 BGB wirkt dabei als gesetzliche Einschränkung der grundsätzlichen Formfreiheit von Rechtsgeschäften dahingehend, dass die von der Bestimmung erfassten Mietverträge nur bei Wahrung der Schriftform einer langfristigen Bindung zugänglich sind (BGH NJW 2017, 3772). Die vertragliche Vereinbarung selbst bleibt wie unter Punkt 1 ausgeführt wirksam.

Mietvertragsurkunden und Unterschriften

Maßgeblich für die Schriftform ist § 126 BGB. Danach muss der Mietvertrag von beiden Vertragsparteien auf derselben Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Werden mehrere gleichlautende Urkunden erstellt, so genügt es, wenn jede Partei die für die jeweils andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.

Nach der sogenannten Auflockerungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2008, 2178) ist es nicht mehr erforderlich, dass sich alle Vereinbarungen zwingend aus einer einzigen Vertragsurkunde ergeben. Es genügt vielmehr, dass sich der gesamte Inhalt des Mietvertrages aus dem Zusammenwirken verschiedener Urkunden ohne Zweifel ergibt und diese Urkunden ihren Zusammenhalt in geeigneter Weise kenntlich machen. Dies ist der Fall, wenn die Urkunden fortlaufend durch Seitenzahlen gekennzeichnet sind, einzelne Bestimmungen fortlaufend nummeriert sind, Nachträge und Anlagen ausdrücklich auf den Hauptvertrag Bezug nehmen oder umgekehrt der Hauptvertrag ausdrücklich auf Anlagen verweist. Eine körperliche Verbindung aller Urkunden wird nicht mehr zwingend gefordert.

Allerdings erspart die Zusammenfassung aller Absprachen in einer Urkunde in der Praxis Unstimmigkeiten. Jede Partei sollte also zu Dokumentations- und Beweiszwecken darauf achten, ein von beiden Parteien unterschriebenes vollständiges Originalexemplar des Vertrages zu besitzen.

Nachträgliche Veränderungen

Auch Änderungsvereinbarungen, soweit sie vertragswesentliche Bestandteile betreffen, müssen die Schriftform wahren, wenn sie für einen ein Jahr übersteigenden Zeitraum Geltung beanspruchen.

Die über die Änderung erstellte Nachtragsurkunde muss die geänderten Regelungen des Hauptmietvertrags aufführen und erkennen lassen, dass es im Übrigen bei den Bestimmungen des ursprünglichen Vertrages verbleiben soll (BGH NJW 2015, 2034). Genügt die Änderung diesen Anforderungen nicht, infiziert dieser Schriftformmangel den gesamten Vertrag mit der Folge, dass auch eine zuvor wirksam vereinbarte Befristung von über einem Jahr entfällt.

Fazit

Die in diesem Beitrag angesprochene Thematik der Einhaltung der Schriftform zur Vermeidung eines Schriftformmangels ist aufgrund Ihrer Komplexität und Vielzahl der hierzu ergangenen Urteile nicht abschließend. Eine Fortsetzung zu einzelnen, in diesem Blog in Grundzügen dargestellten Punkten folgt.

Um unerwünschte Folgen zu vermeiden, empfiehlt sich bei jedem Gewerberaummietvertrag, der länger als ein Jahr andauern soll, eine sorgfältige juristische Prüfung des schriftlichen Vertragswerks.

Haftungsausschluss

Der Inhalt dieses Blogbeitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Vor dem Hintergrund der Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtsmaterie schließen wir die Haftung und Gewähr für den Inhalt dieses Blogbeitrages aus. Dieser Blogbeitrag ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung durch einen Rechtsanwalt und/oder Steuerberater.

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