Beginn der Ausschlagungsfrist bei mehreren sich widersprechenden Erbfolgeregelungen

27.04.2023

Im Erbfall haben die in Betracht kommenden Erben die Möglichkeit, die Erbschaft durch Erklärung gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht auszuschlagen. Die mit sechs Wochen kurz bemessene Ausschlagungsfrist soll dem Erben Gelegenheit geben, sich über den Bestand des Nachlasses zu unterrichten und sich über die Annahme oder Ausschlagung schlüssig zu werden. Die Ausschlagungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Doch wann beginnt die Frist, wenn mehrere sich widersprechende Erbfolgeregelungen vorhanden sind?

Sachverhalt vor dem LG Wuppertal

Die Erblasserin setzte mit ihrem Mann aus erster Ehe einen notariellen Erbvertrag auf, wonach sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Zu Erben des Längerlebenden setzten die Eheleute unter anderem die Klägerin, die Adoptivtochter der Erblasserin, ein.

Durch späteres notarielles Testament widerrief die Erblasserin alle früheren Verfügungen von Todes wegen und setzte zu ihrem alleinigen Erben ihren zweiten Ehemann ein, welchen sie mit einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin beschwerte.

Einige Jahre spätere errichtete die Erblasserin ein weiteres notarielles Testament, in welchem sie alle früheren Verfügungen von Todes wegen widerrief und die Klägerin als Alleinerbin einsetzte.

Den Antrag der Klägerin auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin der Erblasserin auswies, wies das Amtsgericht Wuppertal mit dem Hinweis, dass die beiden zuletzt errichteten Testamente aufgrund der Bindungswirkung des Erbvertrages unwirksam seien, zurück. Darauf hatte die Klägerin zum Zwecke der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen die Ausschlagung der Erbschaft sowie vorsorgliche Anfechtungen im Hinblick auf eine etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über den Berufungsgrund und auf eine etwaige Annahme der Erbschaft wegen Irrtums über Höhe und Einschränkung ihrer Beteiligung am Nachlass erklärt.

Wirksame Ausschlagung der Erbschaft

Das LG Wuppertal entschied, dass eine fristgerechte Ausschlagung der Erbschaft durch die Klägerin vorgelegen habe. Die Frist zur Erbausschlagung beginnt nach § 1944 Absatz 2 Satz 1 BGB erst mit der Kenntnis über den Anfall der Erbschaft und den Grund der Berufung. Bei mehreren sich widersprechenden, gewillkürten Erbfolgeregelungen stelle jede für sich einen Berufungsgrund dar, über den jeweils für sich genommen falsche Vorstellungen den Beginn der Ausschlagungsfrist hindern können, weil die tatsächliche Rechtslage für Laien nicht ohne weiteres erkennbar sei. Dies sei jedenfalls bei Vorliegen eines beachtlichen Rechtsirrtums der Fall, wenn die Gründe für den Irrtum nicht von vornherein von der Hand zu weisen seien.

Landgericht Wuppertal, Urteil vom 06. Januar 2023, AZ.: 2 O 298/19

Haftungsausschluss

Der Inhalt dieses Blogbeitrages ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Vor dem Hintergrund der Komplexität und des ständigen Wandels der Rechtsmaterie schließen wir die Haftung und Gewähr für den Inhalt dieses Blogbeitrages aus. Dieser Blogbeitrag ersetzt nicht die individuelle persönliche Beratung durch einen Rechtsanwalt und/oder Steuerberater.

Kontaktformular für unverbindliche Mandatsanfragen

Ich habe die Datenschutzinformationen zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass meine Angaben ausschließlich für die Kontaktaufnahme und für Rückfragen gespeichert werden.

Schreiben Sie unsTermin vereinbaren040 / 37 68 04 0Zum Seitenanfang