Zum Anspruch auf Ergänzung eines notariellen Nachlassverzeichnisses

27.04.2023

Der in § 2314 Absatz 1 BGB normierte Anspruch auf Erteilung eines Nachlassverzeichnisses soll es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bezifferung seines Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Ein notarielles Nachlassverzeichnis soll gegenüber dem privaten Verzeichnis eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten. Dementsprechend hat der Notar den Bestand des Nachlasses selbst und eigenständig zu ermitteln und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den Inhalt verantwortet. Bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses hat der Notar zwar die Angaben des Auskunftspflichtigen zugrunde zu legen, jedoch darf er sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss der Notar den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Er hat diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.

Soweit ein notarielles Nachlassverzeichnis vorliegt, kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen, sondern ist auf die Erklärung der eidesstattlichen Versicherung des Erben nach § 260 Absatz 2 BGB angewiesen. Von diesem Grundsatz sind einige Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn

  • in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen nicht aufgeführt ist,
  • Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen,
  • die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat, oder
  • sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt.

Der BGH hatte mit Urteil vom 20. Mai 2020, AZ.: IV ZR 193/19, entschieden, dass eine verweigerte Zustimmung des Erben zu einem Kontendatenabruf des Notars bei einem ausländischen Kreditinstitut ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses begründe. Der Erbe habe sich über sein eigenes Wissen hinaus die zur Auskunftserteilung notwendigen Kenntnisse so weit wie möglich zu verschaffen und von Auskunftsrechten gegenüber Kreditinstituten Gebrauch zu machen.

BGH, Urteil vom 20. Mai 2020, AZ.: IV ZR 193/19

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